Montag, 30. Juni 2008

8. Bericht aus der Neuen Welt

Ihr Lieben, liebe Freunde,

heute schreiben wir Euch aus der nördlichsten Ecke Perus. Dieses Land, in dem wir uns jetzt seit 6 Wochen aufhalten, ruft bei uns gemischte Gefühle hervor:
Für Wohnmobiltouristen ist Peru recht schwierig zu bereisen. Zunächst ist da täglich das Problem, einen geeigneten Übernachtungsplatz zu finden. Dass es hier keine Campingplätze gibt, wussten wir ja, aber dass die Suche nach einem Platz für die Nacht so stressig ist, hatten wir uns nicht vorgestellt. Aus im Internet veröffentlichten Berichten anderer Womo-Reisender hatten wir uns alle Tipps auf Übernachtungsmöglichkeiten herausgesucht (es gab nicht viele), außerdem nutzten wir die spärlichen Hinweise in unseren Reiseführern und die Erfahrungen von Leuten, die wir unterwegs trafen. Und doch war es fast jeden Tag eine zeitraubende und nervige Suche mit häufig unbefriedigendem Ergebnis. In Frage kämen Hotels mit großem, abgeschlossenen Parkplatz oder 24 h bewachte Parkplätze in größeren Städten. Von beiden gibt es nicht viele, deren Zufahrt breit und hoch genug für ein Womo ist und auf denen die Übernachtung im Auto gestattet ist. (Einmal haben wir ein zu niedrig über der Ausfahrt hängendes Telefonkabel durchtrennt, ein anderes Mal ein Sonnenschutzdach aus der Wandverankerung gerissen und ein anderes deutsches Paar, mit dem wir eine zeitlang gereist sind und das einen Mercedes Lastwagen mit noch größeren Ausmaßen fährt, steckte einmal in der Ausfahrt eines Hotelparkplatzes fest und es kostete einige Mühe, sie wieder flott zu kriegen.)



In der freien Natur zu stehen geht auch kaum, da es keinen Zugang von den Landstraßen gibt und man von allen Seiten hört, das sei zu unsicher und zu gefährlich. Als Notlösung bleibt das Übernachten an Tankstellen, die rund um die Uhr geöffnet und damit zwar sicher aber laut sind und keinen erholsamen Schlaf bieten. Zusätzliche Enttäuschungen erlebt man, wenn das angegebene Hotel nicht mehr existiert, ein genannter Parkplatz voll belegt ist oder die im Reiseführer beschriebene Campingmöglichkeit nur zum Zelten geeignet ist, da es keine Zufahrt für Autos gibt.
Eine weitere Unannehmlichkeit ist der Zustand der Straßen. Die Panamericana, die Peru von Süden nach Norden immer in Küstennähe durchquert, ist zwar in Ordnung aber langweilig, weil sie beständig durch die Küstenwüste führt, nur unterbrochen von den Flussoasen, in denen Mais, Zuckerrohr, Baumwolle, Obst und Gemüse angebaut werden. Hinzu kommt, dass zu dieser Jahreszeit die Küstenebene bis weit hinauf in den Norden unter einer dichten Nebeldecke liegt, die nur selten mal aufreißt. Im Gebirge und Hochland herrscht jetzt zwar sonniges, trockenes Wetter, dafür sind Straßen und Pisten dort oft in katastrophalem Zustand, die Asphaltstraßen von Schlaglöchern übersät und die Pisten voller Rillen, Steine, Wasserpfützen, tiefen Löchern….
Und dann die Orientierungsprobleme! Noch nirgendwo haben wir uns so oft verfahren, wie hier in Peru. Die Ausschilderung ist schlecht oder fehlt ganz, was vor allem in den Städten ein Problem ist. Oft haben die Straßen keine Namensschilder, so dass man sich selbst mit Hilfe eines Stadtplans kaum zurecht findet. Richtungsangaben scheinen gänzlich unbekannt zu sein, so dass man sich auf seine Intuition verlassen oder immer wieder nachfragen muss. Erschwert wird alles noch durch die vielen Einbahnstraßen und die unkonventionelle um nicht zu sagen rücksichtslose Fahrweise der zu Hunderten zählenden Taxi- und Collectivofahrer (Kleinbusse). Vorfahrt hat, wer am lautesten hupt oder am dreisteten fährt.
Doch es gibt auch viel Positives zu berichten. Die wunderbaren Landschaften der Anden begeistern uns immer wieder und die kulturellen Sehenswürdigkeiten sind in diesem Land so zahlreich, wie noch in keinem zuvor. Nicht nur die Überreste der Inkakultur, an die man sofort denkt, wenn von Peru die Rede ist, mit der Hauptattraktion Machu Picchu sind zu besichtigen, auch die Hinterlassenschaften präinkaischer Hochkulturen finden sich an vielen Orten in Peru.
Wir trafen fast nur nette, freundliche Menschen, die bereitwillig Auskunft gaben, viele waren auch an unserer Reise oder an Deutschland interessiert. Sogar die Polizei, die im ganzen Land stark präsent ist und von der wir im Vorfeld nicht nur Gutes gehört hatten, war uns gegenüber ausgesprochen höflich und hilfsbereit. Bei den häufigen Straßenkontrollen wurden wir meistens durch gewunken oder nach dem Woher und Wohin gefragt. Man gab uns Tipps zur Route und zum Straßenzustand, half uns bei der Suche nach Parkmöglichkeiten und einmal übernachteten wir sogar unter Polizeischutz an der Landstraße. (Zum Dank teilten wir unser Abendessen mit dem diensttuenden Beamten.) Bedroht fühlten wir uns bis auf eine Ausnahme nie. Ein Taxifahrer, dem beim Vorbeifahren an unserem geparkten Auto die Windschutzscheibe platzte, beschuldigte uns, einen Stein oder eine Flasche aus dem Auto geworfen zu haben und verlangte, dass wir ihm die Scheibe bezahlten. Wir bestritten vehement die absurde Anschuldigung und weigerten uns, zu bezahlen, worauf hin er drohte, unsere Windschutzscheibe mit einem Stein ebenfalls einzuschlagen. Meine Schimpftirade auf Deutsch und meine wütende Miene veranlassten ihn, es dann doch nicht zu tun. Dieser Mensch war, wie gesagt, die Ausnahme und keinesfalls repräsentativ für die peruanische Bevölkerung.
Zu den positiven Dingen gehört sicher auch das Essen. Wir waren auf unserer ganzen Reise nie so oft im Restaurant wie in Peru. Gekocht wird ausgesprochen gut, lecker und preiswert. In Restaurants außerhalb der Touristenzentren kann man für 3 – 6 Soles (0,75 bis 1,5 €!!) ein Menu essen bestehend aus Suppe, Hauptgericht mit Fleisch, Reis, Pommes und etwas Gemüse, sowie Nachtisch und Getränk. Nun gut, in der Hühnersuppe fanden wir mehr als einmal ganze Hühnerfüße bzw. abgehackte Zehen, die abzuknabbern wir uns nicht überwinden konnten. Ebenso wenig schafften wir es, Meerschweinchen zu essen.




Eigentlich probieren wir ganz gerne die Landesspezialitäten, aber beim Gedanken daran, dass so ein gehäutetes Tierchen knusprig gegrillt mitsamt Kopf und Füßen auf dem Teller liegt – so wird es nämlich meistens serviert -, verging uns der Appetit. (Eigenartigerweise macht mir ein ganzer Fisch mit Kopf und Schwanz nichts aus und Meerschweinchenragout hätten wir wohl auch probiert.) Mit großem Vergnügen habe ich 2 andere peruanische Spezialitäten genossen, nämlich Ceviche und Piso Sour. Ersteres ist frischer roher Fisch, mariniert in Limettensaft und Chili und serviert mit Zwiebelringen und verschiedenen Beilagen – köstlich! – und Letzteres ein Cocktail aus Pisco, Limettensaft und geschlagenem Eiweiß. Wer Werner kennt, weiß, dass er für Cocktails nichts übrig hat und dass für ihn roher Fisch auf der Liste der ungenießbaren Dinge noch weit vor rohen Gurken und Tomaten rangiert. Er hat sich mehr an Bier und Fleisch gehalten. Cabrito (Zicklein) ist auch sehr schmackhaft. Und dann das tolle Obst! Wir schwelgen geradezu in Mangos, Papayas, Limetten, Bananen und Avocados. Natürlich alles extrem preiswert und sehr aromatisch.
Nun zu unserer Route in Peru:
Vom Tititcacasee fuhren wir über den Altiplano bis nach Cusco. Von dort kam ja unser letzter Bericht. Obwohl Cusco eine Touristenhochburg ist, hat die Stadt doch Flair. Überall sieht man noch die Reste der Inkapaläste und –tempel, auf deren teilweise eingerissenen Mauern die spanischen Eroberer ihre eigenen Paläste und Kirchen gesetzt haben. Die Inkaarchitektur beeindruckt vor allem durch die gewaltigen, säuberlich glatt polierten Steinquader, die auf den Bruchteil eines Millimeters genau aneinandergepasst sind, so dass kein Blatt Papier dazwischen passt.











Das Inka Museum zeigt anschaulich Geschichte und materielle Hinterlassenschaften der Inkakultur. Geschockt hat mich allerdings das effekthascherische Zurschaustellen von Mumien, das die Menschenwürde, auf die auch ein totes Individuum noch Anrecht hat, missachtet.
Mit Peter und Erika, Wohnmobilfahrer aus Bayern, unternahmen wir die Tour ins Valle Sagrado, dem Heiligen Tal der Inka,



und besuchten die Ruinen von Pisaq




Flötenspieler bei den Ruinen


und Ollantaytambo.





Höhepunkt diese Ausfluges war Machu Picchu, Inkastadt, -festung oder –heiligtum oder alles zusammen. Die außergewöhnliche Lage auf einem Bergplateau mit steil zum Rio Urubamba abfallenden Wänden und der gute Erhaltungszustand der Anlage machen die Faszination dieses Ortes aus.
















Zu erreichen ist Machu Picchu nur mit dem Zug und dann mit Bussen den Berg hinauf. Es war ein tolles Erlebnis, zumal wir Superwetter hatten und die befürchteten Touristenmassen sich in Grenzen hielten. Auf dem Rückweg nach Cusco passierten wir das Dorf Chinchero, wo wir ein für uns ganz ungewöhnliches Fronleichnamsfest miterlebten. Nach einer feierlichen Messe auf dem großen Kirchplatz, an der das ganze Dorf teilnahm,



folgte eine Prozession mit sämtlichen Heiligenbildern und Statuen aus der Kirche,

die nahezu nahtlos in eine Art Karnevalszug überging. Kostümierte Gruppen zogen singend und tanzend zur Musik von Kapellen an der Menge vorbei und die ganze Veranstaltung ging in ein Volksfest über. Fliegende Händler verkauften Süßigkeiten, Essen und Getränke – bereits während der Messe! -, Bier floss in Strömen und die Stimmung war sehr ausgelassen.







Im gleichen Dorf zeigten uns die Frauen der Wollkooperative die traditionelle Verarbeitung von Schaf- und Alpakawolle vom Waschen und Färben mit Naturmaterialien, über das Spinnen mit dem Spinnwirtel und dem Weben auf dem schon in alten Kulturen genutzten Rückenbandwebstuhl.












Auf dem Weg hinunter zur Küste

konnten wir an einem über 4000 m hohen Pass die ersten Kondore beobachten und an einer Vicunjastation erfuhren wir Interessantes über diese nicht domestizierbare Lamaart. Bei einer jährlich im Juni stattfindenden Treibjagd werden bis zu 4000 dieser wild lebenden Tiere in große Gatter getrieben, geschoren und anschließend wieder frei gelassen. Nur 50 bis max.250 gr. Wolle kann jedem Tier abgenommen werden. Da wundert es nicht, dass Vicunjawolle die teuerste der Welt ist. Für 100 USD pro Kilo wird die Rohwolle verkauft. Dies Treibjagden wurden bereits von den Inka praktiziert, das kostbare Material war aber ausschließlich dem jeweiligen Herrscher vorbehalten.




Bei Nasca erreichten wir die Panamericana und die Küstenebene. Den Rundflug über die berühmten Linien, riesige Scharrbilder im Wüstensand, deren Bedeutung außer Erich von Däniken niemand kennt, mussten wir auf die Rückfahrt verschieben, da unangenehme Turbulenzen zu erwarten waren. So folgten wir der Panam nach Norden, der bereits erwähnte Küstennebel hüllte uns ein, die Auswirkungen des Erdbebens vom letzten Jahr waren ab Pisco noch überall sichtbar und entlang der Straße konnten wir nun häufig die „Hühner-KZs“ sehen, bis zu 100 m lange mit Plastikplanen zugehängte Käfige, in denen die armen Viecher dichtgedrängt auf dem Boden hocken. Alles zusammen nicht gerade stimmungsfördernd und Lima setzte dem noch die Krone auf: Alle unsere Übernachtungstipps erwiesen sich als Flops, das weltberühmte Gold – Museum enttäuschte durch die mangelhafte und uninformative Präsentation, die die hohe Eintrittsgebühr nicht wert war, und die Verkehrssituation ist einfach grauenhaft. Ganz schnell verließen wir Lima wieder und nach weiteren 200 km an der Küste machten wir erneut einen Abstecher ins Gebirge. Die Fahrt durch das reizvolle Huayllas Tal entlang der Schneegipfel der Cordillera Blanca,




der Besuch des Heiligtums von Chavin und das gute Wetter munterten uns wieder auf, zumindest so lange, bis wir den Canjon del Pato (Entenschlucht) und die anschließende Piste durchfuhren. Diese ca 100 km lange Strecke, für die wir 5,5 Stunden benötigten ist wahrlich abenteuerlich und das bisher härteste Stück unserer Reise gewesen. Die Entenschlucht ist so eng, dass nur eine schmale, einspurige Piste Platz hat (eine ehemalige Eisenbahntrasse), links steigt eine senkrechte Felswand hoch, die rechts ebenso steil in die Schlucht abfällt.



Der Weg ist uneben, voller Rillen, großer Steine, abgerutschtem Geröll und gelegentlicher Wasserlöcher,


windet sich in Kurven am Berghang entlang

und bei Gegenverkehr (!) muss einer an einer Ausweichstelle warten



oder bis zu einer solchen zurücksetzen, was besonders in einem der 30 Tunnel unangenehm ist.



Die Piste nach der Entenschlucht kostet zwar nicht mehr so viel Nerven, ist aber in genauso schlechtem Zustand. Selbst als Beifahrerin empfand ich diese Tagesetappe als extrem anstrengend, doch Werner fand es gar nicht so schlimm und fuhr ohne Pause durch, um es hinter sich zu bringen. Zum Glück überstand das Auto diese Piste ohne Platten oder Schäden. Aufatmend erreichten wir schließlich wieder die Panam, die wir im folgenden bis auf einen Abstecher nach Cajamarca nicht mehr verließen. Zuvor fanden wir in Huanchaco, einem kleinen Fischerdorf bei Trujillo, ein Hostal, in dessen Garten ein paar erholsame Tage verbringen und die nahe gelegenen Ruinen von Chan Chan besichtigen konnten. Zur Blütezeit der Chimu Kultur im 12. /13. Jhd. war dies die größte Stadt Südamerikas, bevor sie von den Inka erobert wurde.






Cajamarca ist die Stadt, in der Atahualpa, der letzte Inkaherrscher vor Ankunft der Spanier, von diesen gefangen genommen und hingerichtet wurde. Man kann noch heute den Raum besichtigen, den Atahualpa bis zu einer von seiner ausgestreckten Hand bezeichneten Linie mit Goldgegenständen füllen ließ, die er den goldgierigen Spaniern als Lösegeld übergab. Die nahmen das Gold gerne und schmolzen es in Barren brachten Atahualpa aber dann trotzdem um.




Das "Goldzimmer" heute

Ein Höhepunkt in Nordperu war der Besuch des Museums der Königsgräber von Sipan in Lambayeque bei Chiclayo. Diese Gräber aus der frühen Mochica Kultur (ca. 200 n.Chr.), darunter das Grab des Herrschers von Sipan, wurden erst 1987 entdeckt. Die ausgezeichnete Präsentation im Museum, die die Phasen der Ausgrabungen dokumentiert und die zahlreichen, überaus kostbaren Grabbeigaben zeigt und erläutert, sowie die informativen Modelle und Rekonstruktionen der Grabkammern machten den Besuch zu einem Erlebnis.
Und nun sind wir ganz hoch oben im Norden Perus kurz vor der ecuadorianischen Grenze, wo wir einen ruhigen Platz am Strand in der weitläufigen Hotelanlage einer Deutschen gefunden haben.

Hier entspannen wir einige Tage bei tropischen Temperaturen, bevor wir uns auf die Rückreise machen. Ja richtig, Rückreise. Ecuador haben wir nämlich gestrichen, nachdem wir den Zeitbedarf für die Rückkehr nach Buenos Aires überschlagen haben. Peru wollen wir zwar zügig in südliche Richtung durchqueren, aber Bolivien, Nordargentinien und Uruguay wollen wir bis Mitte September auch noch besuchen. Und in 3 Wochen durch Ecuador zu hetzen, wo die Unterkunftssituation anscheinend genauso schlecht ist wie in Peru, wollen wir uns nicht antun. So haben wir hier ziemlich genau auf dem 4. Breitengrad den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht.
Bis zum nächsten Mal grüßen Euch

Werner und Maite