Ihr Lieben, liebe Freunde,
es liegen wieder ereignisreiche Wochen hinter uns, über die wir Euch nun berichten wollen.
Ushuaia ist für viele in Südamerika reisende Globetrotter ein Ziel zu Weihnachten und Neujahr. Folglich trafen wir dort viel Leute wieder, die wir unterwegs kennen gelernt hatten. Nicht nur deutsche Rentner, Pensionäre oder Aussteiger, auch viele Schweizer und Franzosen, Amis und Kanadier und eine schottische Familie mit zwei Kindern begegneten uns nun wieder. Man traf sich zum gemütlichen Adventskaffee oder auf ein Gläschen Wein bzw. Bier und erzählte, was man so in der letzten Zeit erlebt hatte. Auch Sebastian und Nicol und Renato vom Schiff tauchten wieder auf. Zum Glück für uns, denn Renato machte uns darauf aufmerksam, dass durch unsere Flussdurchquerung Wasser ins Differential eingedrungen war, was einen sofortigen Wechsel des Öls erforderte, um größeren Schaden zu verhindern.
Blick vom Campingplatz auf Ushuaia
Während einige unserer Bekannten die von Ushuaia in die Antarktis fahrenden Kreuzfahrtschiffe buchten
(für 8 bis 15 Tage zwischen 3.000 und 6.000 € pro Person), erkundeten wir die Umgebung, z. B. die Estancia Haberton, die älteste auf Feuerland, Ende des 19. Jhdts von einem britischen Missionar gegründet ,
und den Nationalpark Tierra del Fuego, in dem wir Silvester und Neujahr zusammen mit Nicol und Renato verbrachten. Zwar schien die Sonne, doch es war so kalt, dass wir an Silvester tatsächlich Glühwein trinken konnten. Auf das Neue Jahr haben wir allerdings eine Stunde zu spät angestoßen, wir hatten nämlich nicht mitgekriegt, dass schon am 21. 12. die Uhr um 1 Std. auf Sommerzeit vorgestellt worden war.
Überall im Süden Feuerlands kann man die zerstörerische Arbeit von vor Jahrzehnten ausgesetzten Bibern beobachten: Entlang der Flüsse und Bäche stehen Tausende kahle weißstämmige Bäume, abgestorben, weil die Biber im unteren Bereich die Rinde rundum abgenagt haben oder weil die Biberdämme die Flüsse aufgestaut und die Umgebung in Sümpfe verwandelt haben, in denen die Bäume ebenfalls nicht existieren können. Der Schaden für die Umwelt ist so beträchtlich, dass es inzwischen eine staatliche Abschussprämie von 30 USD pro Biberschwanz gibt.
Biberdamm
Ihr erinnert Euch, Werner hatte an einer solchen Jagd als Zuschauer teilgenommen.
Anfang Januar wollten wir endlich wieder in wärmere Gefilde und brachen nach Norden auf. In Calafate, wo wir schon Anfang Dezember gewesen waren Perito Moreno Gletscher, Bootstour auf dem Gletschersee -, konnten wir erstmals wieder in T-Shirts und kurzen Hosen in der Sonne sitzen und Kraft und Mut schöpfen für die Strecke, die dann vor uns lag. Wir wollten nämlich zunächst auf der argentinischen Seite der Anden die berüchtigte Ruta 40 fahren, dann nach Chile rüberqueren und die nicht weniger berüchtigte aber auch viel gerühmte Carretera Austral fahren.
Gaucho mit Schafherde auf dem Weg
Der Ruta 40 folgten wir ca.
dass wir quasi inkognito fuhren und drei Leute 1.5 Stunden mit Hochdruckreiniger, Schwamm und Schaum brauchten, um den zähen und zwischenzeitlich knochenhart getrockneten Schlamm wieder abzukriegen.
Ein Highlight auf dieser landschaftlich eher öden Strecke war der Abstecher zur Cueva de las Manos, einem Felsüberhang mit Höhle, in dem es Hunderte von prähistorischen Handabdrücken und Zeichnungen von Tieren und Jägern gibt, die ältesten ca. 9.000 Jahre alt. Das Faszinierendste ist aber die außergewöhnliche Lage dieser Höhle, hoch über einem tief in die Pampa eingeschnittenen, mit üppigem Grün bewachsenen Canyon.
Mit dem Grenzübertritt nach Chile verließen wir die Pampa und die Landschaft wurde schnell grüner und abwechslungsreicher.
Die Carretera Austral (südliche Landstraße) wurde in den 1970er Jahren unter Diktator Pinochet vom Militär gebaut, um die bis dahin wenig besiedelte Wildnis zu erschließen und vor allem, um Präsenz gegenüber Argentinien zu zeigen. Die Straße führt größtenteils als Schotterpiste über
Belohnt wurden wir durch eine atemberaubend schöne Landschaft: schneebedeckte Berge, Vulkankegel, tiefe Täler mit mäandernden Flüssen, tiefblaue Seen, fjordartige Meeresarme, Sumpfgebiete und üppige Vegetation.
Der grüne kalte Regenwald reicht oft bis dicht an die Piste, die gesäumt wird von den wundervollen mannshohen Rhabarberpflanzen, "Pangue" genannt, von Bambus- und Farngewächsen und den dunkelrot blühenden, bis zu mehreren Metern hoch wachsenden Fuchsienbüschen. Einige der schönste Gebiete sind Naturparks.
Gelegentlich tauchen Rodungen auf mit einzelnen Gehöften, etwas Vieh und kleinen Plastik-Gewächshäusern. Eine Handvoll kleiner Orte stellt die Basisversorgung der Siedler sicher mit Supermercado, Tankstelle, kleinen Restaurants und Hotels, manchmal gibts eine Kirche, Apotheke oder eine Werkstatt, in der so ziemlich alles repariert wird. Man bekommt ein gutes Gefühl dafür, wie es zu Pionierzeiten im Wilden Westen gewesen sein muss. Zumal es auch noch andere Parallelen gibt: z. B. die tägliche Postkutsche, spricht Minibus, der Rucksacktouristen und Einheimische transportiert, oder die Cowboys, hier Gauchos genannt, die in ihren Fellbeinlingen und Lederweste abends im Saloon sitzen und sich voll laufen lassen, das Pferd vor der Kneipe angebunden, die Hütehunde daneben liegend.
Die Zivilisation scheint 1.000 Meilen weit weg zu sein, zumindest so lange, bis im Restaurant der unverzichtbare Fernseher angestellt wird und eine US amerikanische Ärzte-Soap läuft auf Englisch mit span. Untertiteln.
So malerisch der Landstrich ist, die Piste verlangt Mensch und Material alles ab: grobe Steine und Schlaglöcher, Wellblech und ausgewaschene Querrinnen, kilometerlang eine Haarnadelkurve an der anderen auf engster Straße bloß gut, dass einem selten jemand entgegenkommt - , steile kurvige Anstiege und Abfahrten, dazwischen auch mal glatte Stücke und kurze Asphaltstrecken.
Unendlich bewundert haben wir die Radfahrer, junge Leute beiderlei Geschlechts, von denen wir erstaunlich viele antrafen. Die müssen ja auf der schlechten Piste nicht nur sich selbst und die Räder die Berge raufstrampeln, sondern auch noch jede Menge Gepäck!! Das ist nicht so gemütlich wie bei der Tour de France, wo Transport- und Versorgungswagen stets zur Stelle sind und man auf glatter Straße bequem im Windschatten fahren kann. Die Carretera Austral muss wohl für Radfahrer eine ähnliche Herausforderung sein wie für passionierte Bergsteiger die Besteigung eines Achttausenders: Einmal in seinem Sportlerleben muss man es gemacht haben,
Mit dem Wetter hatten wir großes Glück, es war überwiegend trocken, manchmal bewölkt, doch oft schien die Sonne und so störte es mich überhaupt nicht, dass wir nur langsam fahren konnten, umso besser konnte ich die wunderschöne Landschaft genießen.. Für Werner war es wesentlich anstrengender, da er die meiste Zeit am Steuer saß, musste er sich sehr auf die Piste konzentrieren. Doch ich glaube, die Herausforderung hat ihm auch Spaß gemacht. Denn bewältigt haben wir die Carretera Austral, auch wenn wir der Strecke Tribut zollen mussten.
So sitzen wir jetzt hier in Puerto Montt und lecken unsere Wunden. Fast von alleine hat sich inzwischen mein Hexenschuss behoben, den mir die ständige Ruckelei beschert hatte, schwerer wiegt schon, dass drei Reifen in Mitleidenschaft gezogen wurden, von denen einer völlig hin ist dient mit Schlauch als letzte Lösung - und die beiden anderen schon die Verschleißgrenze erreicht haben. Es erweist sich als schwieriger als gedacht, hier die richtige Reifengröße mit dem entsprechenden Lastindex zu finden.. Man schickt uns von einer Werkstatt zur anderen, von einem Reifenhändler zum nächsten, bisher ohne Erfolg. Da gleichzeitig die Folgen eines unfreiwilligen Kontaktes mit der Stoßstange eines parkenden Chevrolets beseitigt werden müssen laminieren, spachteln und lackieren spielt der Zeitfaktor keine Rolle. (Wollt Ihr wissen, wie wir den passenden Fachmann gefunden haben? Die Campingplatzbesitzerin kannte einen, der einen kennt, der so was kann und auf seinem Hinterhof repariert! Was meint Ihr wohl, wie man dabei Spanisch lernt.) Am schlimmsten aber war, dass unterwegs eine Halterung des Stabilisators der Hinterachse, der das Aufschaukeln und schlimmstenfalls Umkippen des Wohnmobils verhindert, abgerissen war und das dazu gehörige Gummilager verloren ging. Werner hielt es immerhin für so gravierend, dass wir schon befürchteten, unser Abenteuer auf der carretera abbrechen und zur nächst größeren Stadt nach Argentinien zurück fahren zu müssen. Doch dann, o Wunder, fanden wir in einem der kleinen Westernstädtchen eine Werkstatt mit einem Allrounder, der nicht nur die abgerissene Halterung schweißen konnte, sondern auch von einem amigo zwei Gummilager zwar ein wenig zu klein besorgte und alles wieder einbaute. Werner war ganz in seinem Element, fachsimpelte mit dem Mann und lag fast die ganze Zeit mit unter dem Wagen. So konnten wir unsere Fahrt doch wie geplant fortsetzen.
Wir brauchten dann erst mal ein paar Tage Erholungspause, die wir uns an einem abgelegenen Strand an der Pazifikküste gönnten. Dort machten wir Strandspaziergänge, saßen in der Sonne und lasen oder beobachteten spielende Seehunde, jagende Delfine und einen riesigen Schwarm schwarzer Kormorane.
Im nördlichen Teil der Carretera muss man 2 Mal mit Fähren fehlende Straßenstücke überbrücken. Eine Überfahrt dauert nur 30 Minuten, die andere aber 5 Stunden. Sie hat den Charakter einer Fahrt durch die norwegischen Fjorde mit steil aufragenden Hängen; kleinen Inseln auf dem Wasserweg und hohen Vulkankegeln im Hinterland. Bei herrlichem Sonnenschein genossen wir in unserem Wohnmobil sitzend die wunderbare Aussicht durch die offenen Fenster und fühlten uns wie in einer Luxuskabine auf einem Kreuzfahrtschiff.
Das letzte Stück bis Puerto Montt war bis auf zwei Reifenwechsel ( 1 undichtes Ventil und ein Schleichplatten) nicht mehr besonders schwierig. Die Gegend südlich von Puerto Montt ist das chilenische Zentrum der Lachszucht (zweitgrößte nach Norwegen) und bekannt für die Vielfalt an Muscheln und Meeresfrüchten. Wir sahen nicht nur die großen Lachszuchtbecken im Meer vor der Küste, sondern konnten auch die Muschelsammler bei der Arbeit beobachten: Die Frauen graben bei Ebbe mit Grabstöcken die Muscheln aus dem Schlick und sammeln sie in Körben, die Männer transportieren die Muscheln dann in Säcken oder Schubkarren an Land. An viele Stellen werden die Meeresfrüchte dann gleich in großen Fässern über offenem Feuer gedünstet, das Fleisch herausgelöst und dann säckeweise zur Weiterverarbeitung nach Puerto Montt verkauft, wo es Fabriken zur Konservierung von Meeresfrüchten gibt.
Nach einigen Tagen Zwangsaufenthalt hier wollen wir weiter in das sogenannte Seengebiet, nicht ganz so wild wie der Süden, aber es soll auch eine außergewöhnlich schöne Landschaft sein. Davon dann im nächsten Bericht.
In Puerto Montt
Exkurs: Über die Schwierigkeit, einen chilenischen Reiseführer zu finden
Die Chilenen sind im allgemeinen sehr freundlich und hilfsbereit und geben bereitwillig auf Fragen Auskunft, auch wenn sie eigentlich keine Ahnung haben. Bloß nicht den armen, hilflosen Touristen enttäuschen, indem man bedauernd sein Nichtwissen zugibt, lieber wort- und gestenreich erklären, wo das Gesuchte zu finden sein könnte.
Dieses widerfuhr uns bereits mehrmals, zum Beispiel in Coihaique, wo wir den sehr empfohlenen Reiseführer Turistel 2008 für Südchile kaufen wollten. Natürlich versuchten wir es zuerst in einer Buchhandlung, bedauerndes Kopfschütteln, wir sollten es doch in dem Cafe an der Fußgängerzone versuchen. Im Cafe? fragten wir ungläubig nach, bestätigendes Nicken. Dort allerdings verwies man uns ein wenig ungehalten - an die Tourist Info, die schickte uns in ein Damenoberbekleidungsgeschäft! Uns wunderte schon gar nichts mehr. Fast wären wir sogar richtig gewesen, denn genau gegenüber im Schuhladen!! fänden wir das Gewünschte, erzählte man uns. Dort gab es neben Schuhen tatsächlich einige weitere Artikel, u. a. einen Turistel für Nordchile aus dem Vorjahr. Der nützte uns aber hier nichts. Es gäbe noch eine weitere Buchhandlung, die hätte den Führer bestimmt. Denkste, die schickten uns zu einem Zeitungskiosk und der schließlich zu einer Autovermietung. Und dort fanden wir nach 2 stündigem Herumlaufen in der Stadt unseren Reiseführer. Glücklich bezahlte ich den wie ich später herausfand- völlig überzogenen Preis und freute mich auch noch, denn gut ist der Führer wirklich.(Zur Verdeutlichung: Es lag nicht an den fehlenden Sprachkenntnissen!)
Allen, die uns wieder zum Teil in langen Briefen geantwortet haben, herzlichen Dank. Nachrichten aus der Heimat tun uns immer richtig gut, und wir freuen uns, dass Euch unsere Reiseberichte und Fotos gefallen.
Seid alle herzlich gegrüßt von
Werner und Maite
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